Sonntag, 18. November 2012

Tanzkultur

Ein weiteres Thema, das schon länger in meinem Kopf kreist jedoch erst in letzter Zeit immer mehr und mehr Formen und Wörter bekommt, ist die Frage nach der Tanzkultur und der Leidenschaft.

Welchen Sinn hatte und hat der Tanz?

Der Tanz war von Beginn an ein Mittel zur Kommunikation. Ob in den Naturvölkern als Kommunikation zwischen Natur und Mensch oder auch zwischen den Menschen genutzt, zu tanzen war der Weg, Wünsche auszudrücken und sozial zu interagieren. Der Regentanz oder auch der Fruchtbarkeitstanz sind nur einige sehr bekannte Beispiele.

Je "weiter" sich die Gesellschaft entwickelte, desto subtiler oder verschwommener wurde die tänzerische Bedeutung. Dennoch war der Tanz immer ein Mittel zum Zweck.
Vor allem die "alternativen" Tänze wie Mambo, Salsa, Swing und Tango Argentino hatten meist einen übergeordneten Sinn: Leute zu treffen, zu guter Musik Emotionen zu spüren und sozial zu interagieren...mit anderen Menschen in Kontakt zu treten.

In der heutigen Zeit frage ich mich, ob es einfach eine weitere Entwicklung oder ein Verlust der Erinnerung ist, die den Tanz immer öfter zu einem künstlichen Gebilde erwachsen lassen.

Ich kann mich noch gut an den Ausspruch eines sehr bekannten Tango Argentino Tänzers erinnern, der in seinem Kurs gesagt hat...
"Ich verstehe nicht, warum man in Europa des Tanzenswillen aus dem Haus geht. Bei uns in Argentinien war der Tanz ein Grund, um Leute zu treffen und Mädchen kennenzulernen. Warum ich eine neuen Move oder eine neue Figur erlernt habe? ...Na um besser Mädels aufreißen zu können.";-)

Für mich waren diese Sätze so erfrischend und erleichternd, denn es zeigt, dass die Freude und immer noch die Menschen im Vordergrund stehen sollten und nicht die Technik des Tanzes.

Ist es nicht oft berührender, das Lachen und die Freude eines Menschen beim Tanzen zu sehen als den perfekten Move? Ist nicht die Neugierde, einen anderen Menschen zu spüren und wahrzunehmen, viel mitreißender als die Leistung?

Und bitte versteht mich an diesem Punkt nicht falsch. Auch Leistung ist natürlich eine Herausforderung und sehr bewundernswert, aber eben ein anderes Thema.

Seit jüngerer Zeit verspüren wir ein wenig den Vorwurf, uns nicht komplett einer Tanzsparte zu widmen. Manche SalsatänzerInnen fühlen sich zum Beispiel fast beleidigt, wenn wir uns dem Swing widmen, manche Tango TänzerInnen können nicht verstehen, warum wir Ballroom lieben und manche BallroomtänzerInnen fühlen ihre Sparte und ihre Tanzabende von den "alternativen" Tänzen bedroht. Nicht selten bekommen wir vor allem seit dem Ausbau zu hören, dass wir wohl den einen oder anderen Tanz immer wieder vernachlässigen.
Zuerst habe ich mir das natürlich sehr zu Herzen genommen, und Dado und ich haben versucht, jeder der verschiedenen Tanzrichtungen gerecht zu werden.
Wir fühlten uns fast ein wenig zerrissen und waren unglücklich darüber, nicht mehr Zeit zu haben, um uns in einzelne Bereiche zu vertiefen. Doch dann kam mir ein Gedanke...

Genau das ist es, was wir möchten. Wir möchten mit uns und unserer Tanzschule zeigen, dass der Tanz so vielseitig wie das Leben ist. Es gibt so viele verschiedene Stimmungen, Emotionen, verschiedene Musikrichtungen und unendliche Möglichkeiten, das Leben zu zelebrieren. Warum muss ich mich auf etwas festlegen und einschränken?

Warum kann ich nicht jedem seinen Raum geben, denn allen gemeinsam ist die Basis...die Leidenschaft, soziale Interaktion  und die Vorwärts-, Rückwärts- und Seitwärtschritte. :-)
Die Tänze unterscheiden sich gar nicht so sehr, wie man eben oft meint. Es ist mehr die Emotion, die dahintersteckt.

Ein Langsamer Walzer fühlt sich anders an als Salsa, Tango anders als Swing...stehen sie deswegen in Konkurrenz? Gibt es deswegen besser und schlechter, mehr oder weniger wert?

Hat zum Beispiel "Tango Argentino" eine höhere Kultur als "Bachata"?
Bzw. muss ich die Tanzkultur der einzelnen Tänze zelebrieren und kennen, um diese genießen zu können? Oder anders gefragt...könnte man nicht nur eine Tanzkultur annehmen? Wäre es nicht auch denkbar, dass all die Tänze aus einem Ursprung entstanden sind?

Ich frage mich auch in diesem Zusammenhang oft, ob es wichtig ist, die Vergangenheit zu kennen, um die Gegenwart zu spüren. Die Gegenwart entsteht aus der Vergangenheit...würde es dann nicht reichen, sich der Gegenwart zu widmen?

Wie weit muss ich in die Vergangenheit gehen, um die Gegenwart aufnehmen zu können? Oder bestimmt die Kenntnis der Vergangenheit maßgeblich meine heutige Sichtweise?

All diese Fragen bringen mich immer wieder zu einem Gedanken...das Erlernen eines Tanzes oder neuer Schritte hat nur ein Ziel...die Achtsamkeit zu erfahren, welche mehr Emotionen,  Freude, Liebe, Harmonie, Toleranz und Verbindung hervorrufen könnte...
Ich versuche meinen Körper zu trainieren, um flink reagieren zu können und somit meinen Emotionen auch körperlich Ausdruck zu verleihen.

Für uns ist Tanzkultur die Wertschätzung aller Tänze und Musikrichtungen. Die Kultur, die der Mensch erschafft und die dem Zeitgeist der Gesellschaft entspricht.

In diesem Sinne freuen wir uns mit und  über all jene, die Tanzkultur erschaffen, leben und teilen. Wir sind dankbar für die vielen TänzerInnen, die ihre Leidenschaft leben und dadurch Freude und echtes Miteinander kreieren.
Auch danken wir all jenen, die mit uns die Reise in verschiedenste Richtungen, Emotionen und Tanzkulturen antreten und erleben...






2 Kommentare:

  1. Ein Wort zur Liebe
    Diese Zeilen FÜR EUCH sind absolut überfällig – Ihr gebt so viiiel, so authentisch, so rein….
    Es soll euch daran erinnern, das in Eurem Umfeld `zig Menschen schätzen und lieben gelernt haben –
    und da getraue ich mich in vieler Meinung der Menschen zu schreiben die euch ebenfalls
    kennengelernt haben.

    Gerade habe ich (tief berührt) Deine Zeilen über die Liebe gelesen.
    Wenn man, in welchem Alter auch immer, so eine Einstellung zum Leben hat,
    glaube mir liebe Conny, dann ist man in seiner Seelen –bzw. Bewusstseinsbildung
    mit Sicherheit auf einen sehr fortgeschrittenen Weg.
    So ein Mensch trägt die Dankbarkeit und Demut in sich und kann Diese auch leben, auf das es ja
    immerhin nicht ganz unwesentlich ankommt ;-).
    In dem Beitrag wo du unter anderen auch über Tanzkultur etc. sprichst, ist, meines Erachtens auch
    eines der am lohnendsten Tugenden die wir Menschen so heilig halten sollten enthalten, nämlich die
    OFFENHEIT in allen Richtungen, genau Diese ist es letztendlich die uns Weiterentwicklung in allen
    erdenklichen Ebenen garantiert – und das in Riesenschritten und OHNE Aggression, da Offenheit
    auch Toleranz dem anders Denkenden voraussetzt.

    Aber nun zurück zur Liebe:
    Der Tanz ist, wie alle Formen der Begegnung, ein Feld indem Achtsamkeit Respekt und Toleranz
    seinen Platz finden sollte. Ich persönlich sehe im Tanz eine Möglichkeit des sich seiner Seele gewahr
    zu werden, mehr deren Verfassung (die ja nicht immer dieselbe ist …*schmunzel* …hätten wir zwar
    gerne, aber …naja wir wissen wohin die Reise geht …..oder ;-)?? ).Immer wieder auf’s Neue getestet,
    sich in seinem Gegenüber zu erkennen  bzw. in Schwierigen Momenten die Weisheit zu leben,
    seine eigenen Wichtigkeit ein wenig zurückzunehmen –und sollte das nicht gelingen, sich am Ende
    der „herausfordernden“ Tanzstunde, bei seinem Tanzpartner mit dem nötigen Respekt -und Haltung
    seiner eigenen übertriebenen Erwartungshaltung, zu erkennen geben. Im Sinne eines inneren
    Lächelns in Richtung seines Tanzpartners, sich Selbst und dem LEBEN gegenüber – wie Du auch schon
    geschrieben hast – Meist lächelt es Dir zurück …..

    In diesem Sinne wünsche ich Dir liebe Conny, Dir lieber Dado sowie Euren Familien und dem
    gesamten toll arbeitenden Team eine harmonisch und zufriedene Weihnachtszeit.
    Weiterhin eine achtsames Miteinander mit viiiel Neuem im kommenden Jahr.
    Nunti sunya
    Gerald

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  2. Lieber Gerald...mir fehlen die Worte auf deine schönen Gedanken zu antworten...
    Danke dir...ich hoffe, dass sie uns und vielleicht auch einigen anderen ein Anstoß sind, dem Leben auch immer wieder heiterer zu begegnen,
    alles Liebe
    Conny

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