Obwohl schon mehrmals erwähnt, hat es etwas länger gedauert, meine Gedanken zum Goldenen Schnitt zu ordnen und niederzuschreiben. Im letzten Abdruck des heurigen Jahres scheint mir der Moment sehr passend, um den Weg ins neue Jahr etwas anders zu begleiten.
Die genaue Definition des "Goldenen Schnitts" soll hier nicht das Thema des Textes sein, denn diese kann vielfach nachgelesen werden. Vielmehr könnten diese Zeilen eine Aufforderung sein, über den Alltag, seine Gedanken und Wünsche nachzudenken, um nicht nur mit einem guten Vorsatz sondern mit einem anderen Blickwinkel ins neue Jahr zu starten.
Um dennoch dem Artikel ohne Vorwissen folgen zu können, sei hier das wichtigste in wenigen Sätzen zusammen gefasst. Der Goldene Schnitt bezeichnet ein Proportionenverhältnis. Bei einer Strecke z.B. ein Teilungsverhältnis, wonach sich der längere Teil zum kürzeren genauso verhält wie die gesamte Strecke zum längeren. Dieses Verhältnis kann nicht als Bruch von ganzen Zahlen dargestellt werden und ergibt die goldene Zahl (meist Phi genannt), die eine unendliche Abfolge von nicht wiederkehrenden Kommastellen aufweist - für viele die irrationalste Zahl überhaupt. Daraus ergeben sich weitere geometrische Figuren (aus dem goldenen Winkel) - eines der bekanntesten ist wohl das Pentagramm - sowie eine goldene Spirale etc. Nicht nur wir Menschen sondern auch Pflanzen haben sich in unendlich vielen Gebieten dieses Verhältnis zu Nutze gemacht. Die ästhetische Wahrnehmung, Design und Kunst aber auch unser Gehirn und unsere Datenverarbeitung greifen auf diese Phänomene zurück. Auch mich begleitete dieser Ansatz schon oft - nicht zuletzt in Beziehungen und zwischenmenschlichen Situationen.
Die Dualität im Leben ist stets vorhanden. Jedes Ding, jede Naturerscheinung, jedes Gefühl und jeder Gedanke hat seinen Gegenpart, wodurch die Sache an sich erst definiert werden kann. Es gibt keinen Tag ohne die Nacht, keine Freude ohne Trauer... das eine bedingt das andere, um es klar erkennen zu können. Eine Welt voller Sonnenschein würde vertrocknen, eine Welt voller Regen untergehen. Das Gleichgewicht ist letztendlich auf dieser Welt entscheidend. Doch bedeutet Gleichgewicht eine 50:50 Verhältnis?
Der goldene Schnitt oder vielmehr die goldene Zahl ist eines jener Phänomene, die diese Dualität verbindet und zum Ausdruck bringt. Sie ist rational und irrational zu gleich. Ein Gegensatz in sich vereint.
Schon in meinem Artikel "die asymmetrische Symmetrie" habe ich diesen Gedanken von Symmetrie und Asymmetrie im Leben weitergesponnen. Doch was passiert, wenn man nun auch den Goldenen Schnitt in seine Überlegungen mit einbezieht. Geht es im Leben und im Alltag hauptsächlich um die Balance, die eine angenehme Situation der Harmonie, Gesundheit und Wohlgefühl schafft? Doch wie finde ich diese Balance, die anscheinend nicht auf einer gleichen Mengenverhältnis basiert?
Einmal auf diesen Gedanken gekommen, habe ich verschiedenste Situationen dahin gehend überprüft. Z.B. habe ich überlegt, bei welchem Verhältnis von Tag und Nacht (Sonnenstunden zu Nacht) ich mich am wohlsten fühle - und entdeckte, dass dieses Verhältnis sich sehr an den Goldenen Schnitt anlehnt.
Nicht so klar errechnet lässt sich diese Möglichkeit auch auf die Arbeit, auf Beziehungen, auf seine Gewohnheiten und nicht zuletzt auf das Wohlgefühl als Verhältnis zwischen Gesundheit und Genuss umlegen.
Doch wie findet jeder für sich nun den "Goldenen Schnitt" in seinem Leben?
Durch unsere freien Willen, ist das Wollen wohl entscheidend. Will ich z.B. gesund bleiben und leben sollte wohl der größere Teil meiner Ernährung, meiner Einstellungen und meiner Selbstliebe auf Gesundheit ausgerichtet sein. Anscheinend ist es jedoch nicht widersprüchlich, auch einen "kleineren" ungesunden Teil auszuleben. Möchte ich eine funktionierende Beziehung führen und mich aber trotzdem noch wohl und in meiner Mitte fühlen, wird es wohl wichtig sein, den größeren Teil seines Lebens auf Beziehung auszurichten, aber auch nicht den kleineren Teil zu vergessen, der für mein eigenes Wohlbefinden notwendig ist.
Oft kam mir sogar der Gedanke, dass der "kleinere" Teil durchaus wichtig ist, damit das "Gesamtprojekt" funktioniert.
Diesen Goldenen Gedanken auf das Leben umzulegen ist wirklich spannend und bedingt die Welt ein wenig anderes zu sehen sowie das "Schwarz/Weiß" Denken zu verlassen. Das genaue Proportionenverhältnis zu erkennen ist wohl genauso eine Kunst des Empfindens, wie der Anblick von etwas Schönem. Denn auch der Goldenen Schnitt kann nie bis ins kleinste berechnet und rational dargestellt werden. Dieses Empfinden mir und der Umwelt gegenüber auch zuzulassen ist für mich persönlich eines der größten Herausforderungen im Leben.
In diesem Sinne wünsche ich allen von Herzen einen wundervollen Start ins neue Jahr, ein wenig Irrationalität in unserer doch sehr rationalen Welt, den Wunsch zum Schönen und zum Wohlgefühl und die Möglichkeiten das Leben zu führen, das man für sich und seine Umwelt möchte...