Donnerstag, 9. Mai 2013

Natürlich und normal?

Was ist natürlich?
In Diskussionen über Gott und Welt kommt vor allem bei schwierigen oder besser gesagt polarisierenden Themen am Ende oft das Argument "Aber das ist nicht natürlich, oder das ist nicht normal".

Egal ob über Homosexualität, künstliche Brüste oder auch energiegewinnende Verfahren diskutiert wird, die Natürlichkeit und die Normalität sind meist das letzte und schwer zu widerlegende Argument.

Doch wer entscheidet, was natürlich ist? Wer zieht die Grenze zwischen normal und abnormal? Bzw. sollten wir alle anstreben, normal zu sein, oder liegt es in der Natur des Menschen, abnormale Dinge zu leben und zu genießen?

Diese Fragen beschäftigen mich schon sehr lange, denn vor allem wenn man das Glück hat, einiges von der Welt und anderen Kulturkreisen sehen zu dürfen, entdeckt man, dass "normal und natürlich" doch in der jeweiligen Gesellschaft sehr subjektiv ist. So werden Verhaltensweisen oder Geschehnisse  bei uns im mitteleuropäischen Raum wohl anderes bewertet und gesehen als in z.B. asiatischen Gebieten.
Darüber hinaus spielt die am meisten verbreitete Religion in der Region eine wichtige Rolle, was als natürlich oder auch normal angesehen wird.

Meiner Meinung nach leben wir alle in "zivilisierten" oder besser gesagt "kultivierten" Gesellschaften nicht mehr natürlich. Denn wir leben nicht mehr im Einklang mit der Natur. Egal ob wir uns die Nägel lackieren, schminken, Früchte von der Karibik im Winter essen oder auch Häuser bauen, wo eigentlich Sumpfgebiet ist, wir versuchen die Grenzen der Natur zu beugen. Wir gehen nicht mehr schlafen, wenn die Sonne untergeht, oder stehen im Morgengrauen auf, sondern lassen unsere zeitliche Einteilung von der Uhr bestimmen. Ist dies nun schlecht?

Auf der anderen Seite gibt es aber viele "natürliche" Erscheinungen des Menschen, die in unserer unnatürlichen Welt erst recht als abnormal und unnatürlich angesehen werden. Egal ob man sich über die Adoptions- oder Heiratsmöglichkeit für homosexuelle Paare echauffiert oder auch die künstliche Befruchtung kritisiert, transsexuelle Menschen missmutig beäugt oder polygame Lebensformen bewertet, auf einmal ist die Natur wieder Angelargument für das, wo die eigene Toleranz oder auch Bereitschaft einer emotionslosen Betrachtung Grenzen hat.

Ich persönlich empfinde, dass "natürlich" oft mit "normal" in einen Topf geworfen wird, obwohl das eine wohl kaum etwas mit dem anderen zu tun hat.

Normal bedeutet für mich der Norm entsprechend. Somit ist normal der, der einer gesellschaftlichen Norm entspricht...einer Norm, die die Mehrheit der Gesellschaft für "gut" empfindet. Ob diese jedoch tatsächlich auch "gut" ist, sei dahin gestellt, denn - um ein krasses  Beispiel zu nennen - wird z.B. die NS Zeit wohl heute anders bewertet als damals.

Ob die Norm in einer Gesellschaft tatsächlich immer natürlich ist, wage ich wohl zu bezweifeln. Vielmehr sind es die Angst der Menschen vor Neuem, die Faulheit oder auch das Desinteresse, sich mit Anderem zu beschäftigen, wie auch die Toleranz gegenüber anderen Lebensweisen, die den Blick in die Welt bestimmen.

Für mich gibt es genau einen Aspekt, der mich zu einer Bewertung von Verhaltensweisen bringen kann, nämlich der, wenn Verhaltens- oder Lebensformen darauf hin ausgerichtet sind, andere oder der Natur zu schaden. Die Massentierhaltung oder ähnliche Erscheinungen sind für mich so ein Beispiel.
Solange dies nicht der Fall ist, sollten wohl die Menschen-, Tier- und Naturliebe sowie die Toleranz, das Mitgefühl und die Offenheit im Vordergrund stehen.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen mehr Weitblick für auch jene Dinge im Leben, die vielleicht als abnormal gelten und dennoch natürlich sind... denn die Spielwiese des Lebens und der Natur ist wohl bunter, als wir alle erahnen können...

1 Kommentar:

  1. Tja, natürlich und normal. Wieder einmal ein heißes Thema. Vor allem, da uns die Natur ja vormacht, dass gerade eben die von dir angesprochene Homosexualität wohl natürlich und auch normal ist. Doch gerade in der Religion hat Natürlichkeit und Normalität wenig Platz. Viel mehr wird hier auf Konformität Wert gelegt.

    Als gelernter römisch katholischer Christ bekommt man dazu natürlich so einiges mit auf den Weg. Es wird einem vorgeschrieben was als normal und natürlich - sprich von Gott gewollt - zu sehen ist.

    Darwin war ja nur ein Ausrutscher. Irgendwann, hoffe ich, entwickeln wir uns über Religion hinaus, über dieses Schubladendenken welches unsere Gesellschaft ausmacht. Und dann wird wohl alles menschliche natürlich uns normal werden.

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